Gang des Strafverfahrens

Von der Einleitung bis zum Urteil

Das Strafverfahren ist grundlegend in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Es beginnt mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und endet spätestens mit einem rechtskräftigen Urteil.

Nicht in jedem Fall entscheidet ein Gericht über den Ausgang eines Verfahrens, in einigen Fällen hat es auch die Strafverfolgungsbehörde in der Hand, das Verfahren zu beenden.
 

Strafverfolgungsbehörden

Zuständig für das Ermittlungsverfahren sind die Strafverfolgungsbehörden; das sind die Staatsanwaltschaft und in Berlin für „kleinere“ Delikte die Amtsanwaltschaft. Beide Behörden bedienen sich dabei der Hilfe von Polizeibeamten, die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.  

Ermittlungsverfahren

Sobald die Staatsanwaltschaft oder die Polizei – durch eine Anzeige oder auf anderem Wege (zum Beispiel durch eigene Wahrnehmungen oder durch einen Pressebericht) – davon Kenntnis erhält, dass möglicherweise eine Straftat begangen worden sein könnte, muss sie ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Die StPO räumt der Strafverfolgungsbehörde kein Ermessen ein. Nur bei Ordnungswidrigkeiten (aka „Bußgeldsachen“) kann die Polizei in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens von der Verfolgung absehen. Das Ermittlungsverfahren endet – aus Sicht des Beschuldigten – im schlimmsten Fall mit der Anklageerhebung und der Überleitung in das Hauptverfahren.  

Einstellung des Verfahrens

Das Ermittlungsverfahren muss natürlich nicht in jedem Fall zur Anklageerhebung führen; die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren auch vorher einstellen.

Eine Einstellung des Verfahrens kommt immer dann in Betracht, wenn sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt – entweder weil dem Beschuldigten die Tat nicht nachgewiesen werden kann oder weil er die Tat nicht begangen hat. Als unschuldig gilt er in beiden Fällen gleichermaßen.

Aber auch wenn sich im Zuge der Ermittlungen herausstellt, dass dem Beschuldigten nur ein geringfügiger Schuldvorwurf zu machen ist, kann das Verfahren eingestellt werden.

Ist das Verschulden sehr gering und besteht deswegen kein öffentliches Interesse an der Verfolgung, wird ohne weiteres eingestellt.

Wenn trotz geringen Verschuldens ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, kann dieses durch Erfüllung einer Auflage beseitigt werden.

Die Auflage besteht meist in der Zahlung eines Geldbetrages an die Justizkasse oder an eine gemeinnützige Organisation. In diesen Fällen muss das Gericht und der Beschuldigte der Einstellung jedoch zustimmen. Dazu gibt es noch einen gesonderten Beitrag.

Es gibt weitere Einstellungsmöglichkeiten die jedoch komplizierten Voraussetzungen unterliegen; auf die Darstellung wird im Rahmen dieser Information verzichtet.

Strafbefehl

Liegen die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nicht vor, kann die Staatsanwaltschaft – statt einer Anklageerhebung – beim Gericht den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Das setzt allerdings voraus, dass die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht schwerwiegend und eine weitere Sachverhaltsaufklärung entbehrlich ist.

Über das relativ geräuschlose und schlanke Strafbefehlsverfahren informiere ich in dem weiteren Beitrag „Der Strafbefehl“.

Geldstrafen

An diese Stelle gehört der Hinweis auf den Beitrag zur „Geldstrafe“. Dort beschreibe ich, wie der Gesetzgeber versucht, durch ein relativ einfaches System zu erreichen, dass „Reich und Arm“ in gleichem Ausmaß getroffen werden.  

Anklageerhebung

Kommt weder eine Einstellung noch das Strafbefehlsverfahren in Betracht, wird die Staatsanwaltschaft Anklage erheben und die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen.

In der Anklageschrift sind der Tatvorwurf mit den anzuwendenden Strafvorschriften genau bezeichnet und die vorhandenen Beweismittel aufgeführt.  

Zwischenverfahren

Das Gericht wird dem Angeschuldigten (so heißt der Beschuldigte dann im Zwischenverfahren) die Anklageschrift zustellen und ihm Gelegenheit geben, Stellung zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu nehmen und weitere Beweismittel zu benennen.

Stellungnahmen und Beweisanträge können (und sollten in der Regel) auch später im Hauptverfahren bei Gericht eingereicht werden. Eine aktive Verteidigung im Zwischenverfahren ist eher selten.

Hauptverfahren

Das Gericht entscheidet dann über die Eröffnung des Hauptverfahrens. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle wird die Anklage zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und ein oder mehrere Termine zur Hauptverhandlung bestimmt.

Hauptverhandlung

Die Hauptverhandlung beginnt – in Anwesenheit eines oder mehrerer Richter, eines Vertreters der Staatsanwaltschaft, eines Protokollführers und des Angeklagten mit seinem Verteidiger – mit den Fragen zur Person des Angeklagten. Diese Fragen muss der Angeklagte beantworten. Die Beantwortung aller anderen Fragen ist freiwillig – auch die nach der Höhe des Einkommens. Darüber muss und wird das Gericht den Angeklagten auch belehren.

Nach den Angaben zur Person wird der Staatsanwalt die Anklage verlesen, der Angeklagte kann (er muss nicht!) dazu Stellung nehmen und seine Sicht der Sachlage vortragen. Ob dies sinnvoll ist, sollte bereits vor Beginn der Hauptverhandlung zwischen dem Angeklagtem und seinem Verteidiger abgesprochen sein.

Beweisaufnahme

Danach beginnt dann die Beweisaufnahme, in der Zeugen und Sachverständige gehört, Urkunden verlesen oder sonstige Beweismittel in den Prozess eingeführt werden.

In den meisten Fällen werden die Polizisten als Zeugen vernommen, die bereits im Ermittlungsverfahren tätig waren. Manche Beweisaufnahmen sind oft in weniger als einer Stunde erledigt. Besonders Wirtschafts- oder Steuerstrafsachen ziehen sich solche Beweisaufnahmen manchmal auch über Jahre hin.

Plädoyers und Schlussvorträge

Nach Schluss der Beweisaufnahme hält zunächst der Staatsanwalt sein Plädoyer; er wird abschließend eine Strafe und die zu verhängenden Nebenfolgen beantragen, in sehr seltenen Fällen auch einen Freispruch.

Dann erhält der Verteidiger das Wort zum Plädoyer, auch er kann (muss aber nicht) abschließend einen Antrag stellen.

Das letzte Wort

Bevor sich das Gericht zur Entscheidungsfindung zurückzieht, hat der Angeklagte das letzte Wort. Empfehlenswert ist regelmäßig der Satz: „Ich schließe mich den Ausführungen meines Verteidigers an.“ Ansonsten sollte der Angeklagte und sein Verteidiger sich über das letzte Wort beraten haben.  

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht wird dann das Urteil sprechen: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil.“ Dabei kann das Gericht den Anträgen des Staatsanwalts oder des Verteidigers entsprechen, aber auch davon abweichen.

Statt der Verkündung eines Urteils kann das Hauptverfahren aber auch durch Einstellung bereits vorher enden. Auch das Gericht kann das Verfahren wegen geringen Verschuldens mit oder ohne Auflage einstellen, wenn Staatsanwalt und Angeklagter dem zustimmen.  

Zusammenfassung

Das Strafverfahren ist ein sehr streng geregeltes Verfahren. Die Verfahrensvorschriften haben jedoch den gleichen bedeutenden Wert wie die Strafgesetze auch.

Sie sind nicht nur dazu da, den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten bei der Aufklärung von Straftaten zu helfen, sondern sie haben auch die vornehme Aufgabe, dem Beschuldigten bzw. Angeklagten ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten und ihn zu schützen.

Bild: Franz Brück