Einstellung gegen Auflage
Der „Vergleich“ im Strafverfahren
Je früher ein Verteidiger im Verlauf eines Strafverfahrens beauftragt wird, die Interessen eines Beschuldigten zu vertreten, desto mehr Optionen stehen zur Verfügung.
Ein häufiges Ziel der Verteidigung ist die Einstellung des Verfahrens, möglichst noch vor Erhebung der Anklage.
Oftmals ist eine Einstellung aber nur zu erreichen, wenn der Beschuldigte (und die Staatsanwaltschaft sowie das Gericht) bereit ist, eine Auflage zu erfüllen.
Dieses Verfahrensende regelt der § 153 a Strafprozessordnung (StPO). Dort sind weitere Hürden aufgestellt:
Voraussetzungen für eine Einstellung
Damit ein Verfahren überhaupt eingestellt werden kann, müssen (u.a.) diese drei Voraussetzungen erfüllt sein.
- Vergehen
Das Verfahren muss ein Vergehen zum Gegenstand haben. Bei Verbrechen, also bei solche Taten, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 12 StGB), ist die Einstellung nach § 153a StPO ausgeschlossen.
- Schuld
Die Schwere der Schuld darf nicht entgegenstehen. Das ist dann eine Frage des Einzelfalls mit vielen Facetten.
- Auflagen
Der Beschuldigte muss ferner bereit sein, bestimmte Auflagen oder Weisungen zu erfüllen, die geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen.
Welche Auflagen sind möglich?
Der Standard ist die Geldzahlung an die Justizkasse. Es handelt sich dabei nicht um eine Geldstrafe oder Geldbuße, sondern um eine quasi freiwillige Zahlung.
Statt der Justizkasse kommt auch eine gemeinnützige Organisation als Zahlungsempfängerin in Betracht. Das ist – aus meiner Sicht – immer die bessere Alternative.
Auch gemeinnützige Arbeiten (nach Weisung des Gerichts oder der Sozialen Dienste der Justiz) sind solche geeignete Auflagen.
In Betracht kommt auch die Schadenswiedergutmachung oder eine Zahlung an den Verletzten.
Welche Auflage am Ende zu erfüllen ist, hängt von der Einigung zwischen den Beteiligten (Staatsanwalt, Beschuldigter und Gericht) ab. Macht einer der drei nicht mit, wird es nichts mit der gewünschten Einstellung.
Vorteile
Nach der Einstellung im Ermittlungsverfahren gibt es keine (öffentliche) Hauptverhandlung mit allen Nebenfolgen. Das schont die Nerven eines Beschuldigten (und die Ressourcen der Justiz).
Die Verfahrenskosten (Gericht, Zeugenauslagen, Verteidigerhonorar …) fallen deutlich geringer aus oder entfallen sogar vollständig.
Das Verfahren ist recht schnell beendet; damit herrscht rasch Gewissheit über die zu tragenden Folgen.
Ermittlungen nach weiteren möglichen Leichen im Keller unterbleiben.
Die Unschuldsvermutung gilt fort: Auch wenn der Beschuldigte eine Geldauflage erfüllt, gilt er als unschuldig, weil er eben nicht als schuldig verurteilt wurde (siehe Art. 6 Abs. 2 EMRK).
Es gibt auch keine Eintragung im Bundeszentral– oder Fahreignungsregister.
Nach Erfüllung der Auflage ist die Geschichte endgültig erledigt.
Nachteile
Da die (Un-)Schuldfrage in der Regel nicht beantwortet wird, könnte ein gewisser „Geruch“ hängen bleiben. Diesen Geruch nehmen andere Zivil-, Arbeitsgerichts-, Disziplinar-, Verwaltungsgerichts- Verfahren oftmals auf: „Warum zahlt er freiwillig, wenn er unschuldig ist?“ lautet dann die unprofessionelle Frage.
Dem stehen aber Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie eindeutige Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht (z.B. BVerfG NJW 91, 1530; StV 96, 163) entgegen. Trotzdem ist das Vorurteil nicht aus der Welt zu schaffen.
Weiters bleibt der Beschuldigte auf seinen Kosten (meist ist das aber „nur“ die Verteidiger-Vergütung) sitzen. Sie werden in der Regel aber deutlich niedriger liegen als die Kosten für eine Verteidigung in der Hauptverhandlung.
Und schließlich ist die Erfüllung der Auflage ein Nachteil gegenüber einer Einstellung (nach § 170 II StPO ), weil die Schuld nicht nachgewiesen ist.
Taktik und Strategie
Die Verteidigung hat die Möglichkeit, in geeigneten Fällen den Ermittlungsbehörden eine Einstellung vorzuschlagen. Und wenn der Staatsanwalt nicht so richtig möchte, kann der Verteidiger mit allerlei Unbill „drohen“. Das wären dann meist umfangreiche Ermittlungen, die er durch entsprechende Beweisanträge erzwingen kann. Auf diesem Weg kann oft doch noch eine Übereinkunft erreicht werden.
Andererseits sind auch Staatsanwälte nicht ganz ohne Druckmittel. Wenn sie ankündigen, den Beschuldigten mit einer umfangreichen Beweisaufnahme in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu überziehen, kann auch ein „bockiger“ Beschuldigter zur Zustimmung zu einer Einstellung „bewegt“ (genötigt?) werden.
Es sind dann oft wirklich ernsthafte und sensible Verhandlungen, die zwischen Verteidigung und Ermittlung geführt werden müssen.
Zusammenfassung
Es ist immer eine Frage des besonderen Falls, ob eine Einstellung gegen Auflagen ein (gerade noch) akzeptables Ende des Strafverfahrens bedeutet.
Die „Fundis“ unter den Strafverteidigern setzen den Schwerpunkt auf die Unschuldsvermutung und die Verteilung der Beweislast: Der Staat muss dem Bürger die Schuld nachweisen. Gelingt das nicht, ist er freizusprechen. Für einen Deal ist da kein Raum.
Die „Realos“ hingegen meiden den Konflikt und versuchen so schnell wie möglich, ihren Mandanten aus dem Verfahren zu bekommen. Koste es, was es wolle.
Die richtige Verteidigungsstrategie liegt irgendwo dazwischen. Der Einzelfall und der Mandant entscheiden. Nicht irgendwelche Prinzipien.
Bild: crh