Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

5. Mai 2023

Vertragsstrafe fürs Parken?

Sogenannte Vertragsstrafen, wenn ein Autofahrer sein Auto angeblich unerlaubt auf einem Supermarktparkplatz abgestellt hat, muss der Halter nicht zahlen, wenn er den Fahrer benennt. So könnte es funktionieren.

Mütterchen Mü wollte nur schnell ihren Einkauf erledigen, hat dann aber noch den Besuch in einem Café hinten dran gehängt. Das nimmt eine Düsseldorfer GmbH zum Anlass, ihr erst eine Rechnung und dann eine Mahnung zu schreiben:

Mütterchen Mü weiß, was zu tun ist. Zahlt sie nicht, gibt es das angedrohte Mahnverfahren und gegebenenfalls eine Zahlungsklage; und die wird durchgehen wie ein heißes Messer durch Butter.

Da hilft es auch nicht, wenn sie bestreitet, das Auto dort geparkt zu haben, aber auch nicht verrät, wer der Schlingel war.

Deswegen schreibt sie an das Vertragsstrafenliquidierungsunternehmen einen Brief:

Guten Tag,

ich habe gestern Ihre „1. Mahnung“ in meinem Briefkasten gefunden, nachdem ich von meinem Wohnsitz in Sao Paulo zurückgekommen bin, um noch ein paar Dinge mit den deutschen Behörden zu klären.

Sie werfen mir vor, am ??.??.2021 bei Lidl falsch geparkt zu haben. Und nun wollen Sie Geld dafür haben.

Wie kommen Sie dazu? Sie wohnen in Düsseldorf und Ihnen gehört ein Parkplatz in Berlin? Das glauben Sie doch selbst nicht, oder? Ich jedenfalls nicht!

Außerdem habe ich am ??. Dezember mit Sicherheit nicht in Berlin auf irgendwelchen Parkplätzen geparkt; ich war – wie eigentlich jeden Winter – in Tatuí und bin dort meiner Arbeit nachgegangen.

Mein Auto war zwar in Berlin, aber ich bin mir ganz sicher, dass meine Freundin Luiza damit nicht im Parkverbot parken würde. Sie ist eine gottesfürchtige Frau und würde niemals gegen irgendwelche Gesetze verstoßen.

Mente! Sie lebt in meiner Wohnung und passt auf, dass die Blumen nicht vertrocknen und füttert meine Katzen.

Aber hören Sie sich selbst an, was sie dazu zu sagen hat. Passen nur auf, dass Sie weit genug wegstehen, wenn Sie ihr so einen unverschämten Vorwurf machen. Hier ist der Name von Luiza:

Luiza Silva Carvalho
Rua Carlos Orsi Filho, 1213
Tatuí-SP 18274-290
Brazil

Sie ist wieder zuhause und wird voraussichtlich Ende April wieder zurück nach Berlin kommen (wenn es wieder wärmer wird).

Desejo-lhe um bom dia e permaneça com os melhores cumprimentos

Mütterchen Mü

Das war vor 14 Monaten, danach hat Mü nie wieder etwas gehört von den Düsseldorfern …

Image by Harut Movsisyan from Pixabay

10 Kommentare

  • matthiasausk sagt:

    Eine Liste mit Staaten, die ein miserables Postsystem haben, müßte man haben.

  • Miraculix sagt:

    Es ist noch viel einfacher: der Halter -der nicht selbst geparkt hat- kann ja gar keinen Vertrag abgeschlossen haben, daher kann es auch keine Vertragsstrafe geben.
    Ende des Verfahrens!
    Das ist im Zivilrecht (hier anwendbar) zum Glück etwas anders als im OWI-Recht.

  • Matthias Ferrari sagt:

    Was ich viel spannender finde: Wie kommen die legal an die Halterdaten?
    § 39 StVG ist da doch eindeutig.

  • DA sagt:

    Viel einfacher: die Kenntnisnahme der AGB ist bei Einfahrt gar nicht möglich, die AGB sind zu 99% viel zu klein geschrieben, nicht auffindbar, etc.

    Anschreiben, mit Klage drohen, die geben ganz schnell klein bei.

  • Arnooo sagt:

    @ le D
    Die Aussage des BGH, die man bei Beck findet, finde ich ja mal krass:

    „Danach treffe den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung habe, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm unschwer möglich und zumutbar sei, hierzu näher vorzutragen. Diese Voraussetzungen seien für den vorliegenden Fall zu bejahen.“

    Übersetzt bedeutet das: weil der arme Geldeintreiber keine Möglichkeit hat, die Angabe „jemand anderes ist gefahren“ zu überprüfen, muss der Beklagte sagen, wer gefahren ist. Das ist so ungefähr wie „weil die Polizei die anderen Täter des Bankraubes nicht fassen konnte, muss der einzig gefasste Täter seine Komplizen verraten“.
    Ist eine merkwürdige Auffassung, die der BGH hier vertritt! Widerspricht irgendwie völlig meinem Rechtsverständnis.

  • Thorsten sagt:

    Nun kommt noch der Senf aus Hessen dazu: AUFPASSEN! Wir sind in der Zivilunkerei, also gilt die Wahrheitspflicht. Eine Strafbarkeit nach § 263 StGB will wegen der paar Kröten niemand riskieren.

    Fall 1: der Halter A ist nicht gefahren.

    „Ich weise den Anspruch zurück. Ich bin nicht gefahren. Das Auto wird regelmäßig noch von meiner Ehefrau F und meinem Sohn S und meiner Schwiegertochter T genutzt.“

    Das reicht nach der BGH-Rechtsprechung. Man muss nicht den Fahrer angeben (das behaupten die Inkasso-Fuzzis gerne, ist aber falsch).

    Fall 2: der Halter ist selbst gefahren. Das Schreiben kommt von einer Inkasso-Bude und nicht vom Parkplatz-Pächter selbst (z. B. wird bei der Parkwatcher GmbH im ersten Schreiben immer das Logo der Parkwatcher verwendet, aber das Schreiben stammt von und die Zahlung ist zuleisten an deren Inkassobüro):

    „Ich weise Ihr Schreiben nach § 174 BGB zurück, da Sie eine Originalvollmacht, die Sie zur Vertretung der … berechtigt, nicht vorgelegt haben.“

    Das muss auch künftig auf JEDES Schreiben unverzüglich – also ohne jedwedes schuldhafte Zögern – geantwortet werden, auch dann, wenn sich eine Anwaltskanzlei meldet.

    WICHTIG: Vollmachtskopien von Generalvollmachten genügen nicht! Dann schreibt man: „Ich weise Ihr Schreiben weiterhin nach § 174 BGB zurück, da Sie mir lediglich eine Vollmachtskopie, aber keine Originalvollmacht vorgelegt haben.“

    Fall 3: Halter war Fahrer, die Frist des § 174 BGB („unverzüglich“) ist abgelaufen, Schreiben kommt von einer Inkassobude/Anwaltskanzlei; oder auch, wenn der Halter sinnloserweise in der Sache diskutiert und seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat:

    „Ich räume meinen Verstoß ein. Bitte legen Sie mir Ihre Geldempfangsvollmacht im Original vor. Sobald dies der Fall ist, werde ich den geschuldeten Betrag anweisen.“

    Diese Original-Geldempfangsvollmacht kommt in der Regel ebenfalls nicht.

    BESONDERHEIT bei „Parkwatcher“ und evtl. auch weiteren Parkraumüberwachern: hier schreibt, wie oben geschildert, von Beginn an ein Inkassobüro, das ab der 2. Mahnung Inkassohonorare erhebt. Die kann man ebenfalls zurückweisen, da die Beauftragung des Büros bereits vor Verzugseintritt stattgefunden hat und die Gebühren des Inkassobüros damit m. E. kein kausal entstandener Verzugsschaden sind.

    Dies nur als – unverbindlicher – praktischer Rechtstipp meinerseits. Auf diese Weise haben bisher sehr viele, die ich kenne und auch angeleitet habe, die Forderung abwehren können.

  • DA sagt:

    Nice to know, überfordert aber 99,9 % der Betroffenen, da nicht juraaffin bzw. bildungsfremd.

    Hartnäckig bleiben reicht, Inkasso ist teuer, 3 Schreiben und gut ist.

    Woher ich das weiß? Schon 4x persönlich erlebt und ich bin nur eine Hobbyjuristin.

  • Kevin Falkner sagt:

    Gemäß BGH-Entscheidung vom 21.9.2012 zu Az. V ZR 230/11 hat ein Parkplatzinhaber (Mieter oder Eigentümer) grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch. Dieser richtet sich gegen den Halter des falsch geparkten Autos. Dessen Einwand, er sei nicht selbst gefahren, nützt ihm nichts: Als Halter hat er die Verfügungsgewalt über sein Fahrzeug, kann es im Zweifelsfall wegfahren und entscheiden, wem er es überlässt. Er haftet also auch als sogenannter „Zustandsstörer“, wenn jemand anders das Auto unberechtigt auf einem Privatparkplatz parkt.

  • Düsseldorfer GmbH sagt:

    Danke für das Versäumnisurteil. MuMü