Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

23. August 2023

Teure Auskunft

Ein Angeklagter wird nicht dafür belohnt, wenn er ehrlich ist. Jedenfalls nicht, wenn es ums Geld geht.

Der Mandant hat einen Fehler gemacht, bevor und hauptsächlich nachdem er die Gesellschaft gekauft hatte.

Der Verkäufer des GmbH-Mantels hatte ihm zugesichert, dass es keinerlei Verbindlichkeiten gebe, insbesondere keine Steuerrückstände. Diese Zusicherung war falsch. Die GmbH war längst überschuldet und zahlungsunfähig. Der Fiskus drohte 8 Monate später die Vollstreckung eines fünfstelligen Betrags an.

Unterlassenes Misstrauen

Als neuer Gesellschafter und Geschäftsführer hätte er sich anhand von Bilanzen und anderen Unterlagen vergewissern müssen, dass keine Überschuldung vorliegt und die Gesellschaft deswegen auch zahlungsfähig ist. Das hat er im Jahr 2016 unterlassen, weil er auf die Ehrlichkeit des Verkäufers vertraut hat. Und dafür musste er sich nun sieben Jahre später strafrechtlich verantworten.

Strafverfolgungsinteresse

Die Berliner Staatsanwaltschaft, also die Abteilung der Ermittlungsbehörde, die sich besonders gern mit solchen gewaltigen Strafsachen beschäftigt, weil sie nichts Besseres zu tun hat, musste einräumen, dass mehr als die unterlassene Insolvenzanmeldung nicht dran war an der Sache. Die GmbH war nach der Übernahme durch den Mandanten nicht mehr aktiv. Die klassischen „Begleitdelikte“ des § 15a InsO wie §§ 266a, 283 StGB oder § 370 AO lagen hier nicht vor.

Es blieb beim Vorwurf der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung. Weder zu einer „Herabstufung“ zu einem Fahrlässigkeitsvorwurf und erst Recht nicht zu einer Einstellung nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage lies sich die stramme Strafverfolgerin überreden.

Strafbefehl

Die Dinge nahmen ihren Lauf. Die Staatsanwaltschaft beantragte den Erlass eines Strafbefehls, der antragsgemäß erging; der Mandat legte Einspruch ein; das Gericht eröffnete die Hauptverhandlung.

Um die Sache nicht noch teurer zu machen, als sie ohnehin schon war, begrenzte der Mandant seinen Einspruch auf die Rechtsfolge. Verhandlungsgegenstand war dann nur noch die Höhe der Geldstrafe.

Anzahl der Tagessätze

Die Staatsanwältin und der Richter signalisierten eine erhebliche Reduzierung der Anzahl der Tagessätze von ursprünglich 220 auf nur noch 150. Wenigstens insoweit konnten wir im Hauptverhandlungstermin ein Entgegenkommen erreichen.

Höhe des Einkommens

Im Ermittlungsverfahren hatte die eifrige Staatsanwältin die Höhe des Einkommens des Mandanten mithilfe der ihr eigenen kriminalistischen Erfahrung auf 1.200 Euro geschätzt; daraus resultierte der Tagessatz von 40 Euro.

Ich hatte mit dem Mandanten erörtert, dass er nicht verpflichtet sei, die tatsächliche Höhe seines aktuellen Einkommens mitzuteilen. Statt dessen hatte ich ihm dazu geraten, auf die entsprechende Frage des Richters nicht Falsches zu antworten, sondern schlicht keine Auskunft zu geben. In aller Regel bleibt es dann bei der Kaffeesatzleserei der Staatsanwältin.

Aus ehrlich wird kostspielig

Und was macht die ehrliche Haut? Der alleinstehende, kinderlose Mandant teilt auf Nachfrage des Richters nach anfänglichem Zögern und Herumdrucksen dann sein aktuelles Nettoeinkommen mit, das ausreicht, um davon locker eine vierköpfige Familie zu ernähren.

Am Ende ist es dann trotz Reduzierung der Anzahl der Tagessätzt noch deutlich teurer geworden. Und das „nur“, weil der Mandant dem Richter doch die Wahrheit sagen wollte.

To be continued

Diese Erfahrung wird der Mandant nun mit in die Rechtsmittelinstanz nehmen. Unter Berücksichtigung der Kosten und der Nerven, die dafür investiert werden müssen, wird es am Ende kaum wesentlich billiger werden …

Image by Michael Schwarzenberger from Pixabay

4 Kommentare

  • Gerry sagt:

    naja, da hätte der Verteidiger ja aber auch rechtzeitig bremsen können…

    Schade, dass Sie mir Ihre sicherlich zutreffende Einschätzung des Prozessverlaufs erst jetzt mitteilen. Ich werde Sie das nächste Mal vorher fragen, wie man einen Angeklagte richtig verteidigt. Ok? crh

  • Oliver sagt:

    Da ist das Problem, wenn der Verteidiger ohne Akten arbeitet und nur einen Laptop benutzt: Den Aktenordner hätte er einfach in Richtung seines Mandanten werfen können….

  • Gerrit sagt:

    @Oliver: Den Laptop doch auch… Je nach Modell sogar ohne nennenswerten Schaden am Gerät. (z.B. Dell Latitude Rugged oder Panasonic Toughbook…)

  • Laie sagt:

    Wenn ich da mal nachfragen dürfte:

    Ich sitze in der Regel auf der Frontseite (LG), und habe es bisher immer so wahrgenommen, daß die Auskunft über Einkommen relativ unproblematisch erfolgt. Und wenn nicht, daß die Kammer selbst schätzen darf. Aber in den wenigen Fällen, die ich da erlebt habe, mußte diese Schätzung immer auf irgendwelchen belastbaren Eckpunkten basieren, die im Verfahren zur Sprache kommen (‚bin in Beschäftigung bei XXX, bin selbstständig, bin arbeitslos/in Umschulung/in Ausbildung‘ etc. pp.).

    Ist der Fall, daß die Staatsanwaltschaft eine Größenordnung benennt und das Gericht diese auch kritiklos übernimmt, tatsächlich so denkbar? Das ist nicht böse gemeint, ich überlege nur, wie hier über prozessuale Vorschläge und Anregungen der Staatsanwaltschaft (mal vom Plädoyer abgesehen) diskutiert wird, und kann es mir deswegen irgendwie nur schwer vorstellen.

    Aber Sie haben ja viel mehr Praxiserfahrung, deswegen die Neugier, ist das wirklich ein wahrscheinlicher Verlauf gewesen?

    In Verfahren vor der Strafkammer habe auch ich eher die Erfahrung gemacht, dass Richter und Staatsanwälte sich genauere Gedanken über die Höhe des Einkommens machen, wenn es darauf ankommt.
    Beim Strafrichter, insbesondere wenn nach intensiver Verhandlung endlich (nach „befreiender“ Begrenzung des Einspruchs) eine rechtsmittelfeste Entscheidung in greifbare Nähe gerückt ist, wird eine einigermaßen glaubhaft vorgetragene Angabe oftmals unkritisch übernommen. Es gibt wenige Strafrichter, die unter diesen Umständen dann die Unterbrechung oder gar Aussetzung riskieren.
    Das weiß man als Verteidiger und wird den Mandanten dann entsprechend beraten, eben wie hier das Schweigen empfehlen.
    Ärgerlich ist es dann, wenn der Mandant – wie hier – das Schweigen nervlich nicht durchhält. crh