Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

15. März 2022

Haftungsfalle für Strafverteidiger

Das Risiko von Strafverteidigern, für Fehler haften zu müssen, ist regelmäßig gering. Aber die Ausnahmen sind gefährlicher geworden.

Der Amtsermittlungsgrundsatz erleichtert das Leben eines Strafverteidigers erheblich. Und wenn dann noch Fehler des Verteidigers dem Mandanten nicht zugerechnet werden dürfen, kann eigentlich nichts ernsthaft schief gehen.

Zivilrechtler haben es da wesentlich schwerer; teilweise haften die bedauernswerten Kollegen auch für Fehler, die sie noch nicht einmal selbst, sondern die Justiz gemacht haben.

Die risikoarme Berufstätigkeit im Strafrecht führt zu dem angenehmen Effekt niedriger Prämien für die (nach § 51 Abs. 1 BRAO zwingend vorgeschriebene) Berufshaftpflichtversicherung. Die überwiegende Zahl der Strafverteidiger schließt daher Verträge nur mit der Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro (§ 51 Abs. 4 S. 1 BRAO) ab. Engagierte Zivilisten haben hier einen Bedarf in mindestens siebenstelliger Höhe. Die Unterschiede bei den Versicherungsprämien betragen mehrere tausend Euro, jedes Jahr.

Risikomandat: Einziehung von Taterträgen

Das Berufsleben ist aber spätestens seit dem 1. Juli 2017 auch für Strafverteidiger deutlich risikanter geworden. Das ist der Tag, an dem das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Kraft getreten ist. Dieser (gar nicht mehr so) neue § 73 StGB hat mit Schuld und Strafe nur noch am Rande zu tun; hier geht es knackig um Geld und sonstiges Vermögen. Es war nicht zu verhindern, dass sich der zivilrechtliche Virus, der sich ohnehin schon im Wirtschaftsstrafrecht festgesetzt hatte, noch weiter ausbreitet.

Wirtschaftsstrafverteidiger müssen nun auch mit den zivilrechtlichen Risiken leben, die sich aus den engen Beziehungen der Einziehung zum Zivil-(Prozess-)Recht ergeben.
Aber auch in anderen Rechtsgebieten, ich denke da zum Beispiel an das Betäubungsmittel-Strafrecht, wird es sehr oft sehr teuer.

Im Zusammenhang mit Wahlmandaten kann sich der Anwalt darauf einstellen und mit seinem Mandanten im Einzelfall eine entsprechende Vereinbarung treffen. Im Angebot sind beispielsweise Haftungsverzichtserklärungen, Übernahme der Kosten für die Versicherung des Einzelfalls, eine höhere Vergütung …, über die Vereidiger und Mandant reden und sich einigen können.

Risiko: Pflichtverteidigung

Problematischer sind jedoch die Pflichtverteidigungen. Hier gibt es erst einmal keine Vereinbarung des Verteidigers mit seinem Mandanten. Sondern der Rechtsanwalt wird dem (späteren) Angeklagten zum Verteidiger bestellt. Der Angeklagte muss einer Haftungsreduzierung des Verteidigers dann auch nicht zustimmen. Und der Verteidiger hat aber regelmäßig keine Möglichkeit, das Mandat und das Risiko wieder loszuwerden.

Die meisten Richter erkundigen sich vor einer Bestellung beim Verteidiger, ob er die Pflichtverteidigung übernehmen möchte. Dann kann sich der Anwalt entsprechend positionieren. Zwingend vorgeschrieben ist eine solche vorherige Anfrage aber nicht. Ich bin schon mehr als einmal ungefragt zum Pflichtverteidiger bestellt worden.

Besonders in einem selbständigen Einziehungsverfahren (§ 435 StPO) sollten sich Wahl- und Pflicht-Verteidiger über das gestiegene Haftungsrisiko im Klaren sein. Und zwar noch vor der Übernahme des Mandats bzw. vor einer Bestellung zum Pflichtverteidiger.

Killermandat

Wenn es z.B. um die – in Berlin aktuell weit verbreitete – Einziehung von beschlagnahmten Immobilien geht, stehen nicht selten zweistellige Millionenbeträge auf dem Zettel. Unter Berücksichtigung dieser sehr komplizierten Rechtsmaterie der Vermögensabschöpfung einerseits und der nicht vorhersehbaren Entwicklung der insoweit noch jungen Rechtsprechung andererseits können solche Fälle zum Killermandat werden. Springt im Haftungsfall dann kein Versicherer bei, ist das Leben als Rechtsanwalt zuende (§ 14 Abs. 2 Ziff. 7 BRAO).

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11 Kommentare

  • s sagt:

    Irgendwie versteh ich den Text nicht. Wenn der § 73 StGB das Risiko für Strafverteidiger erhöht, dann müssen sie doch regelmäßig im verdacht stehen durch die Teilnahme einer Tat einen Tatertrag erhalten zu haben. Irgendwie kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass das oft passiert.

    Was ich sehe ist ein wirtschaftliches Risiko, da durch das selbständigen Einziehungsverfahren der Mandant eventuell Probleme beim Bezahlen hat.

  • Johannes sagt:

    @s: Es wird um Schadensersatzforderungen von Mandanten gehen, die wegen möglicher „Kunstfehler“ ihres Anwalts von Einziehungen oder Abschöpfungen betroffen wurden.

  • Miraculix sagt:

    Einem Anwalt einen Kunstfehler nachzuweisen ist allerdings
    ein fast aussichtsloses Unterfangen, man muß nämlich beweisen
    daß ein Verfahren ohne den Fehler völlig anders ausgegangen
    wäre – was in der Realität kaum zu beweisen ist.

  • s sagt:

    @Johannes: Schadensersatzansprüche sind doch Zivilrechtlich. Bei der Einziehung geht es, wenn ich es richtig verstehe, doch um Straftaten. Es müsste also nicht nur ein Kunstfehler nachgewiesen werden sondern auch noch die Teilnahme an einer (Straf) Tat.

    Natürlich können Anwälte auch Straftaten begehen. Ich versteh nur nicht warum die Einbeziehung das Risiko steigern sollte. Wenn ein Anwalt verdächtigt wird eine Straftat begangen zu haben ist doch der Verlust des Rufs und der mögliche Verlust der Zulassung schon ein existenzbedrohendes Risiko.

    Eingezogen wird das durch die Tat erlangte. Ich würde also bei einem Anwalt mal davon ausgehen, dass es sich dabei um das Honorar handelt. Ich sehe einfach nicht, wie der mögliche Verlust eines Honorars hier das Risiko beim Verdacht einer Straftat beeinflusst.

  • Johannes sagt:

    @Miraculix: Ich vermute, dass das da ähnlich ist, wie bei Medizinern. Gefühlt praktisch unmöglich, aber kommt durchaus immer mal wieder vor. (Carsten mag das tatsächliche Risiko als Anwalt besser beurteilen können als ich nichtjurist. Aber die Tatsache, dass es ihn zu einem Blogartikel darüber getrieben hat, spricht für mich eher dafür, dass das nicht ganz so abwegig ist.)

    @s: Wenn ein Mandant wegen einer Einziehung/Abschöpfungen in einer Strafsache einen Vermögensverlust hatte, der zu vermeiden gewesen wäre, wenn der Anwalt einen „Kunstfehler“ (oder wie auch immer das bei Juristen genannt wird) macht (z.B. eine Begründungsfrist verpasst) macht, dann ist die Forderung auf Ersatz dieses Vermögensschadens gegen den Anwalt AFAIK eine zivilrechtliche Forderung.

  • Miraculix sagt:

    @Johannes
    Wenn man einem Mediziner einen Fehler nachgewiesen hat (was vermutlich schwer genug ist) lässt sich daraus der Schaden ableiten. Wenn ein Anwalt einen Fehler macht
    bedeutet das nicht ohne diesen Fehler das Urteil anders ausgefallen wäre. Wenn aber das Urteil ohnehin so ergangen wäre gibt es keinen Schaden und damit auch keinen Schadenersatz.
    Der Beweis wie ein Urteil ausgefallen wäre ist praktisch nicht zu führen.

  • Unwissender sagt:

    Klingt für mich ziemlich unrealistisch, dass ein Angeklagter der einen Pflichtverteidiger braucht irgendwie einen guten Zivilrechtler bezahlen kann der den Strafverteidiger Schadensersatzpflichtig macht.

    @Maraculix sehe ich genauso
    theoretisch möglich, wird aber in der Praxis nicht passieren. Ist doch immer so der Richter und der Anwalt der Gegenseite, naja bei Strafrecht der Staats-Anwalt, werden immer sagen der Fehler war unerheblich und hat keine Relevanz für das Urteil.

  • paul sagt:

    Einen Anwalt finden der einen anderen Anwalt auf Schadenersatz verklagt , ist unmöglich.

  • Spannender Beitrag! Zum Thema „Pflichtverteidiger wider Willen“ bzw. dazu, dass ein Anwalt vor der Bestellung gehört werden sollte, habe ich in der FS für Burhoff einen Beitrag geschrieben. Kann ich allen Interessierten gerne zukommen lassen. Ich warte noch auf den geeigneten Fall, bei dem ich eine Verfassungsbeschwerde dazu erhebe.

  • Michael K. sagt:

    Und als weiteres Berufsrisiko sei die Kündigung des Kontos wegen Geldwäscheverdacht erwähnt, vgl. https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/geldwaescheverdacht-sammelanderkonten.

    Es passieren in der Tat viele Dinge, die sich außerhalb meines laienhaften Vorstellungsbereichs bewegen.

  • Flo sagt:

    @Miraculix, im Rahmen der Vermögensabschöpfung halte ich es nicht für völlig unmöglich den Nachweis zu führen das Fehler des Anwaltes zu einem anderen Ergebnis geführt haben.

    Nehmen wir an ich werde erwischt wie ich bei einem Drogenhandel im größeren Maßstab helfe und dafür Nachweislich 20 T€ als Lohn erhalten haben.
    Dann ist im Rahmen der Vermögensabschöpfung dieses Geld einzuziehen, z.B. die wertgleichen Ohrringe und Kette aus Gold mit Brillianten besetzt die ich meiner Frau zum Geburtstag schenken will.
    Wenn aber zusätzlich noch die Ringe für die Töchter für 5000 € und meine S-Klasse für 150 T€ einkassiert werden, wären wir schon beim Schaden der mir entsteht weil kein Nachweis geführt wurde das dieses Geld aus einer Straftat stammt.