Volkswagen, hört die Signale
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen den Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und vier weitere, teils ehemalige VW-Mitarbeiter Anklage erhoben.
Eine Prognose über den Ausgang des Verfahrens ohne Aktenkenntnis ist nicht möglich, aber man kann schon einmal die grobe Richtung erkennen.
Betrug im besonders schweren Fall
Herrn Winterkorn wirft die Staatsanwaltschaft einen Betrug im besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 3 StGB vor. Diese Vorschrift eröffnet bei einer Verturteilung einen (erweiterten) Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren.
Mögliche Verteidigungsziele
Ein zumindest denkbares Verteidigungsziel bei diesem Vergehen wäre hier also noch eine bewährungsfähige Strafe (maximal zwei Jahre). Auch wenn die Hoffnung eines Strafverteidigers stets erst mit der Rechtskraft des Urteils stirbt, dürfte es sich dabei um ein höchst engagiertes Ziel handeln.
Eine weitere Möglichkeit, die erwogen werden konnte, bestand bisher noch darin, das Gericht und die Staatsanwaltschaft – etwa nach einer dreistelligen Anzahl von Hauptverhandlungsterminen – zum Einlenken zu motivieren.
Die knappen Ressourcen der Jusitz (und die Verbindungen eines Angeklagten in die Politik) sind manchmal ganz hilfreich, wenn es um die Suche nach einer opportunen Lösung des Falles geht. Einstellung des Verfahrens nach Zahlung einer Auflage, § 153a StPO, heißt dann die Zauberformel. Die Herren Helmut Kohl (300.000 DM) und Bernie Ecclestone (100 Millionen US-Dollar) kennen sie.
Die verschlossene Tür
Den im Zweifel erfahrenen Richtern der Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Braunschweig ist diese Verteidigungsstrategie aber auch nicht fremd. Vielleicht auch exakt deswegen haben sie in ihrem Eröffnungsbeschluss, mit dem sie die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen haben, noch eine Schippe draufgelegt.
Die Richter haben die Anklage nicht einfach zugelassen. Sondern sie eröffnen das Verfahren mit der Maßgabe, dass die Herrn Winterkorn zur Last gelegte Tat auch ein gewerbs- und bandenmäßiger Betrug gem. § 263 Abs. 5 StGB sein könnte.
Diese Vorschrift des Abs. 5 enthält nicht nur eine lapidare Regel zur Strafzumessung (wie der besonders schwere Fall nach Abs. 3), sondern stellt eine Qualifikation des Betruges dar, einen eigenen Straftatbestand.
In dieser Variante ist zwar der Strafrahmen nur „leicht“ erhöht: Ein Jahr (statt 6 Monate) bis zehn Jahre sind hier die Grenzen. Diese Untergrenze qualifiziert jetzt aber den Betrug zu einem Verbrechen, § 12 StGB.
Und damit schlägt die Strafkammer gleich zu Beginn des Hauptverfahrens die Tür zur Einstellung nach § 153a StPO zu. Diese Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens besteht nämlich nur für Vergehen, also nicht (mehr) für das Verbrechen eines gewerbsmäßigen Bandenbetrugs.
Das Signal
Dieses starke Signal bedeutet für Herrn Winterkorn, dass er damit rechnen muss, nach dem Ende des Gerichtsverfahrens eine Ladung zum Strafantritt zu bekommen. Aber wenigstens wird er die Vorteile eines Selbststellers noch mitnehmen können; die Untersuchungshaft bis zur Rechtskraft bleibt ihm wohl erspart.
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6 Kommentare
„(maximal Jahre)“ fehlt da nicht die Anzahl der Jahre?
Der § 153a StGB ist wohl eher in der StPO? Der Link geht auch ins Leere.
Die Tiefen des Strafrechts sind nicht meine Stärke.
Was mir bei dem Dieselskandal (der sich wohl nicht nur auf einen Hersteller beschränkt) nicht ganz klar ist:
Wie sieht es mit der Einziehung (§§ 73 ff StGB) bei juristischen Personen aus?
Kann der Betrug (wenn es denn einer war – Unschuldsvermutung) der juristischen Person zugerechnet werden?
Und falls ja, können die Taterlöse eingezogen werden? Die Taterlöse wären dann wohl die Verkaufspreise der Neufahrzeuge.
Und falls eine Einziehung erfolgt, könnte nach § 73d StGB doch nur das in Abzug gebracht werden, was an die Geschädigten gezahlt wird, oder?
Und wenn dem so ist, wieso wehrt sich der Hersteller so vehement gegen Schadenersatzzahlungen?
Wie gesagt, die Tiefen des Strafrechts sind nicht meine Stärke. Aber interessieren tät es mich schon.
White collar crime, kommt sowieso nix bei rum in Germany.
Herr W. wird seine (zahlreichen) Schäfchen ins Trockene gebracht haben, er hatte ja nun genug Zeit.
Am Ende gibt es irgendeinen schmutzigen Deal, Verfahrensfehler, offener Vollzug, irgendsowas. Jedenfalls nichts, was Herrn W. merklich in seinem Leben einschränken würde.
@ crh
Ich wollte keine juristisch einwandfreie Einschätzung abgeben, sondern polemisch prognostizieren, dass es am Ende des Prozesses keine nennenswerten Auswirkungen für Herrn W. geben wird. Das denke ich auch immer noch.
Ich habe mir ein bookmark gesetzt und werde dann, wenn das noch möglich ist, in der Zukunft hier nochmal kommentieren,wenn Herr W. verurteilt wurde (oder auch nicht). Dann können wir ja sehen wer die bessere Glaskugel hatte.
Die Tür zur Einstellung ist keineswegs zugeschlagen, da natürlich völlig ungewiss ist, ob die Hauptverhandlung das Vorliegen eines Falles nach Abs. 5 ergeben wird.