Vermögensabschöpfung ohne Vermögen
Das Recht der Vermögensabschöpfung und Einziehung soll der Gerechtigkeit dienen. Der Gesetzgeber will einem Straftäter die Früchte seiner Tat wieder wegnehmen. Was geschieht aber, wenn der Dieb oder der Betrüger gar keine Beute gemacht hat?
Es ist nachvollziehbar: Ein Dieb soll nicht nur bestraft werden, sondern er soll auch das Diebesgut wieder herausgeben. Wenn er dieses aber nicht mehr besitzt, weil er es bereits verhökert hat, muss er den Wert in Geld zahlen.
Vergleichbares gilt für den Betrüger: Ertrogene Taterträge müssen und können eingezogen werden können.
Die Vorschriften der Einziehung in den §§ 73 ff StGB eignen sich aber auch dazu, jemandem etwas wegzunehmen, das er gar nicht (mehr) besitzt.
Einen solchen Fall hat am 21.07.2020 der 3. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH 3 StR 211/20) entschieden, dem ein Urteil des Landgericht (LG) Osnabrück vom 07.11.2019 (10 KLs 9/19) zugrunde lag.
Ein paar bisher noch nicht bekannte Schlingel beauftragten Wilhelm Brause und Bulli Bullmann damit, Baumaschinen zu organisieren, die außerhalb der EU gebraucht wurden, aber nicht bezahlt werden sollten.
Bullmann und Brause mieteten auftragsgemäß bei verschiedenen Unternehmen die gewünschten Bagger, Transporter und Kräne. Statt sie aber wieder zurück zu geben, suchten und fanden sie freundliche, nicht eingeweihte und gutgläubige Fahrer, die diese (acht) Maschinen gegen einen angemessenen Transportlohn zu den Schlingeln ins Ausland brachten.
Die Strafbarkeit von Bullmann und Brause für diese Aktion steht außer Frage; vermutlich stehen je nach Ausgestaltung des Sachverhalts u.a. Betrug und Unterschlagung auf dem Zettel. Dagegen und ein paar Jahre Knast ist nichts einzuwenden.
Aber das LG Osnabrück ordnete in seinem Urteil zusätzlich noch die Einziehung des Wertersatzes für die Baumaschinen an. Immerhin 300.000 Euro.
Brause und Bullmann fanden das ungerecht. Schließlich haben sie lediglich ein paar Euro für die Anmietung und die Organisation des Transports bekommen. Die Baumaschinen selbst haben sie den Fahrern übergeben.
Das spielt aber für den BGH und das LG Osnabrück keine Rolle. Die Bagger haben sich – wenn auch nur eine kurze Zeit – in der Verfügungsgewalt von Brause und Bullmann befunden. Sie waren also kurzzeitig um ein Vermögen in Höhe von 300.000 Euro bereichert.
Dass sie die Maschinen wenig später wieder aus der Hand gegeben haben, entlastet sie nicht. Es gilt ein sogenanntes Saldierungsverbot. Die Weitergabe der Fahrzeuge an die auftraggebenden Schlingel stellt sich als nachgelagerter Vermögensabfluss dar. Der ist bei der Entscheidung über die Einziehung nicht zu berücksichtigen. So die Rechtsprechung.
Auf diese bittere Erfahrung müssen sich auch all diejenigen gefasst machen, die einen Tatertrag für andere entgegen nehmen. Ein klassisches Beispiel dafür sind Zahlungsdienstleister, die beispielsweise ergaunertes Geld einkassieren, ihre (geringe) Provision davon abziehen und den (großen) Rest an die Auftraggeber weiterleiten. Abgeschöpft wird der volle Zahlungseingang; das, was der Dienstleister an seinen Auftraggeber ausgekehrt hat, wird nicht als „Betriebsausgabe“ oder „Aufwand“ anerkannt
Was hätten Brause und Bullmann „besser“ machen können?
Wenn sie die Fahrzeuge durch die (gutgläubigen) Fahrer hätten abholen und an die Schlingel weitertransportieren lassen, also wenn sie sich nicht selbst an’s Steuer gesetzt hätten, hätten sie keine tatsächliche Sachherrschaft über die Beute gehabt und der Staatsanwalt hätte sich die 300.000 Euro von den Schlingeln holen müssen.
Ob das wirklich gerecht ist, weiß ich auch nicht. Aber die richtige Gerechtigkeit gibt es ohnehin erst viel später, bei den jüngsten Gerichten …
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8 Kommentare
Kleiner Fehler, aber Sie meinen sicherlich die Einziehungsvorschriften in den §§ 73 ff. StGB.
Die „6“ auf dem Ziffernblock meiner Tastatur liegt für meine dicken Finger zu nahe an der „3“. crh
Dafür gibt es ja § 459g Abs. 5 StPO.
Und wenn dann später doch die Schlingel gefunden sind, kann da vermutlich auch noch einmal eingezogen werden, oder?
Naja
Es wäre eher verwunderlich wenn bei Brause und Bullmann wirklich so viel zu holen wäre. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das eine große Zahl die auf einem bedruckten Blatt Altpapier steht und sonst nichts.
Verhindert höchstens dass Brause und Bullmann jemals wieder legal Geld verdienen, denn das müssten sie abgeben.
Gruß
Willi
Ohne die Vermögensabschöpfung gäbe es ja immer noch einen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz für die Tat (im Zweifelsfall gesamtschuldnerisch mit den unbekannten Hintermännern). Das verjährt (mit Titel) auch erst nach 30 Jahren. Welchen entscheidenden Unterschied macht es für die Täter, ob die Forderung jetzt vom Staatsanwalt oder vom Geschädigten (bzw. einem Inkassobüro) eingetrieben wird?
Wirklich entscheidend wird die Vermögensabschöpfung doch eher, wenn es keinen konkreten Geschädigten gibt (z.B. bei Drogenhandel) oder bei einer „Selbständige Einziehung“ (§ 76a) ohne Nachweis einer konkreten Straftat.
Wenn ich also ein Konto auf meinen Namen erstelle und die Zugangsdaten an den „Schlingel“ weitergebe und er das Geld dann weiterbucht, dann habe ich nichts zu befürchten und kann behalten, was auf dem Konto zurückbleibt?
Zivilrechtlich haftet also die Schlingel GbR als Gesamthaftender,-)
459g V sorgt tatsächlich dafür, dass 99,9% aller Täter überhaupt nichts zahlen müssen.
Insofern ist das Urteil tatsächlich ein Stück Altpapier, soweit es die Einziehung betrifft.