Unversteuerte Vorteilsnahme
Was aus einem „bisschen“ Vorteilsnahme werden kann (aber nicht muss), bekommt nun ein hessischer Oberstaatsanwalt von seinen Kollegen aufgezeigt.
Erstmal vorneweg: Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) auch für Staatsanwälte. Aber wie der Kollege Nebgen treffend poinierte: „Unschuldsvermutung schützt vor Strafe nicht!“
Zudem schrauben sich die Anforderungen an den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses und eines Haftbefehls gegen einen Spitzenbeamten einer Ermittlungsbehörde in enorme Höhen, so dass hier ein massiver Verdachtsgrad vorliegen dürfte: Der Chefermittler sitzt in Untersuchungshaft. Das ist ein starkes Zeichen.
Dennoch: Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Die in den Medien mitgeteilten Tatvorwürfe – vermutlich Vorteilsannahme, § 331 StGB – sind nicht bewiesen!
Die Perspektiven
Was erwartet den verbeamteten Verdächtigen eigentlich, wenn sich der Vorwurf bestätigen sollte?
Vorteilsnahme
Die Vorteilsannahme nach § 331 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Sollte sich auch die Höhe des Vorteils – die Rede ist von 240.000 Euro – bestätigen, wäre eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von maximal 2 Jahren (§ 56 Abs. 2 StGB) ein engagiertes Verteidigungsziel.
Das ist jedoch nicht alles
In all den Fällen, in denen ich in diesen Bereichen verteidigt hat, haben die Angeklagten und Verurteilten den Vorteil (bzw. das Bestechungsgeld) bei der Abgabe ihrer Einkommenssteuererklärung nicht angegeben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Hinterziehung der Einkommensteuer
Die Höhe der auf diesem Wege hinterzogenen Einkommensteuern hängt vom persönlichen Steuersatz ab. Den Steuerschaden rechnen freundliche Finanzbeamte auf den Cent genau aus. Und der § 370 AO sieht dann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.
Man sieht, die Steuerhinterziehung wird heftiger bestraft als die Vorteilsannahme. Und wenn sich herausstellen sollte, dass es sich um einen besonders schweren Fall handelt, liegt das Angebot zwischen 6 Monaten und 10 Jahren, § 370 Abs. 2 AO.
Wenn es um’s Geld …
… werden die Steuerfahnder kreativ. Hinterziehung von Umsatzsteuer ist in diesen Sachen auch stets ein beliebtes Feld, auf dem sich Staatsanwälte und Strafverteidiger gegenüberstehen.
Umsatzsteuerhinterziehung?
Die Argumentation der Steuerfahndung geht ungefähr so:
Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auch „sonstige Leistungen„, die ein Unternehmer im Rahmen eines Unternehmens ausführt.
Die Leistungen sind hier zu sehen in der Bevorzugung des Sachverständigen, die der Gegenleistung – der Kick-Back-Zahlungen des Sachverständigen – gegenüberstanden.
Wenn sich bestätigen sollte, dass der Beamte gegenüber dem Sachverständigen – also nach außen – eine Leistungsbereitschaft gezeigt und sich durch die Auftragsvergaben auch entsprechend verhalten hat, ist er nach Ansicht der Finanzverwaltung nachhaltig und selbständig tätig geworden.
Die Nachhaltigkeit soll sich hierbei aus der über mehrere Jahre wiederholten durch Zuwendungen beeinflussten Auftragsvergabe ergeben sowie aus deren durch die Höhe der Entgelte dokumentierten wirtschaftlichen Intensität.
Der Beamte – das wird die Steuerfahndung behaupten (deutlicher: konstruieren) – ist hierbei auch selbständig tätig geworden. Schließlich hatte sein Dienstherr von den Zuwendungen keine Kenntnis. Und der Beamte war insoweit nicht weisungsgebunden tätig.
Also hätte ein vorteilsnehmder Beamter seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten der Besteuerung unterwerfen müssen.
Hört sich verwegen an …
… ist aber – jedenfalls in professionell geführten Ermittlungsverfahren – gängige Praxis. Es gibt nur wenige Staatsanwälte und Steuerfahnder, die das Thema Umsatzsteuer in diesen Fällen nicht anpacken. In diesem Zusammenhang jedenfalls muss ein Strafverteidiger das Turnen am Hochreck beherrschen.
Edeka
Sollte sich das hier auch für den Frankfurter Staatsanwalt in diese Richtung entwickeln, sieht es echt mau aus mit der Bewährungsstrafe; mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis muss er dann aber ziemlich sicher rechnen, § 24 BeamtStG. Das wäre das Ende der Karriere.
Aber vielleicht gibt es ja für alles eine ganz andere Erklärung. Ich wünsche dem Oberstaatsanwalt, dass er jetzt bei der Auswahl seines Strafverteidigers ein glücklicheres Händchen hat.
Bild: ScreenShot der Website der GenStA Frankfurt am Main
13 Kommentare
§370 Abs. 3 AO, oder? Und das mit der Umsatzsteuer ist natürlich eine perfide Perspektive. Andererseits – müsste man nicht eher ein Angestelltenverhältnis konstruieren? Schliesslich war der „Unternehmer“ ja wesentlich nur für einen „Auftraggeber“ zuständig, was eher für eine Scheinselbständigkeit spricht..
Selbstständigkeit legen sie aber auch immer genau so aus, wie es gerade in den Kram passt, was? Für einen einzigen Kunden kann man doch gar nicht selbstständig sein.
Währenddessen muss ich fast ein Verfahren wegen Scheinselbständigkeit erwarten, da Covidbedingt (ich bin Veranstaltungstechniker) nur noch ein einziger meiner Kunden Aufträge vergibt.
Ist ein Oberstaatsanwalt nicht ein Freiberufler? Kann man nicht zumindest den Punkt mit der Umsatzsteuer abgewehrt bekommen?
@ Malte:
Nun ist aber das Merkmal, nur für einen Auftraggeber tätig zu sein, nicht das einzige Indiz, an welchem sich die Beurteilung der Scheinselbständigkeit aufhängt. Insbesondere, wenn die Tätigkeit nur für einen Auftraggeber nur von vorübergehender Dauer ist (was ja letztlich immer noch zu hoffen bleibt…).
@Willoughby
Auch der Freiberufler ist Unternehmer. Der Status schützt in „nur“ davor, Gewerbetreibender oder gar Kaufmann zu sein.
Gibt’s denn überhaupt eine Möglichkeit, ohne strafrechtliche Folgen solche Beträge zu versteuern? Also hält das Finanzamt die Klappe, wenn man z. B. angibt „20.000 EUR aus Bestechungsgeldern“?
Ich glaube, den Schwerverbrecher Al Capone haben sie damals auch nur wegen Steuerhinterziehung drangekriegt.
@WPR_bei_WBS
klar, allerdings nur wenn alles unbar gebucht wurde.
Läuft dann ebenso wie bei illegalen Waffenimporten und harten Drogen.
Da kommt dann auch erst der Steuerbescheid und dann (nach Zahlung) das SEK. Nur hier unbedingt die Frachtkosten angeben, die gehören zum Zollwert.
Wer Ironie findet, darf sie behalten.
Vielleicht wird er im Knast wiedererkannt. Dann viel Spaß beim Duschen…
Man könnte sich ja mal die Anklagen des Dezernats, in dem der Oberstaatsanwalts tätig war durchsehen. Wenn da eine Vorteilsnahme mit dem gesamten steuerlichen Anklageprogramm drin war könnte es für den Beschuldigten schon recht finster aussehen. Ansonsten müsste doch wegen einer Umsatzsteuer mit einer selbständigen Tätigkeit innerhalb einer Arbeitnehmertätigkeit erst mal ein Vorsatz nachgewiesen werden.
@JuergenW:
(steuerrechtliche) Legaldefinition in § 2 UStG (verkürzt):
„Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. … Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt …“
Wenn wir dann in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Vorsatz stellen wollen, gibt es eigentlich nur zwei Merkmale:
„selbständig“: Das ist aber eigentlich nichts, worauf man fehlende Vorsätzlichkeit stützen kann, weil es dafür auch eine Legaldefinition in § 2 Absatz 2 UStG gibt. Unwissenheit (d.h. Unkenntnis einer Legaldefinition) schützt vor Strafe nicht.
„nachhaltig“: Das ist dann auch regelmäßig der Hauptansatzpunkt … jedenfalls bei sehr wenigen Einzeltaten. Wer sein Verhalten eigentlich nicht wiederholen will, handelt nicht nachhaltig. Wer es dann doch ausnahmsweise noch mal macht, kann versuchen, sich rauszureden und zu behaupten, er habe es beim ersten Mal nicht wiederholen wollen … und er habe es beim zweiten Mal dann auf gar keinen Fall noch einmal machen wollen. Beim dritten Mal … na ja, viel Glück. Und danach ist auf jeden Fall der Ofen aus. 😉
Alle anderen Tatbestandsmerkmale sind eigentlich dem Vorsatz nicht zugänglich. Da geht man einfach objektiv ran … und fertig.
@JuergenW
Wenn man sowas findet, ist der Vorsatz natürlich locker nachzuweisen. Allerdings sollte wenigstens bedingter Vorsatz bei einem grundsätzlich Rechtskundigen, der weiß, dass es Steuergesetzgebung gibt (und sogar weiß, was „bedingter Vorsatz“ ist) auch unproblematisch sein. Die Ermittlungsenergie kann man also im objektiven Tatbestand vermutlich effizienter einsetzen.
Eine Unternehmereigenschaft irgendwie „objektiv“ herbei zu konstruieren reicht für den Nachweis einer vorsätzlichen Steuerverkürzung nicht aus. Dazu muss zunächst einmal bewiesen werden, dass überhaupt ein Unternehmen gegeben ist und nicht nur sonstige Einkünfte wie z.B. aus gelegentlichen Vermittlungen, § 22 Nr. 3 EStG vorliegen. Dann braucht man aber noch den Nachweis, dass der Beschuldigte wusste, dass er Unternehmer ist. Je abenteuerlicher die Begründung für das Bestehen eines Unternehmens ist, umso schwieriger ist der Nachweis eines Vorsatzes. Allerdings lassen neuere Presseberichte noch weitaus schlimmeres befürchten.