Die Moabiter Mühlen
Welch katastrophalen Zustände in der Berliner Justiz herrschen, liest man immer wieder bei spektakulären Haftentlassungen, weil mal wieder Fristen nicht eingehalten wurden.
Das Chaos wirkt aber auch im Kleinen. Beispielsweise im Kostenfestsetzungsverfahren immer dann, wenn es darum geht, dass die Landeskasse für die Fehler, die ihre Justiziellen gemacht haben, gerade stehen muss.
Am 30.10.2019 urteilte das Berufungsgericht:
- Das Urteil des Amtsgericht wird aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens und ·des Revisionsverfahrens sowie die notwenigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse Berlin.
Erst im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens stellte ich fest, dass das Gericht in der schriftlichen Abfassung des Urteils etwas vergessen hatte. Der Kostentenor lautete nur noch:
- Die Kosten des Berufungsverfahrens und ·des Revisionsverfahrens trägt die Landeskasse Berlin.
Der Kundige erkennt sofort: Da fehlt das für den Angeklagten Entscheidende. Obwohl er am Ende des Verfahrens durch die Instanzen freigesprochen wurde, soll er auf seine Verteidiger-Kosten sitzen bleiben.
Deswegen habe ich am 27.02.2020 beantragt,
den Kostentenor des schriftlich abgefassten Urteils vom 30.10.2019 per Beschluss dahingehend zu berichtigen, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten ebenfalls die Landeskasse Berlin trägt.
Selbstverständlich reagiert die Moabiter Justiz auf solche Lästigkeiten wie erwartet. Nämlich durch Ignoranz und Nichtstun.
Deswegen habe ich an die Bearbeitung des Antrags erinnert. Zweimal, zuletzt am 17.04.2020. Und was passiert: Richtig. Fast zwei Monate lang nichts.
Am 05.06.2020 (kurz vor Versendung meines bewährten Dienstaufsichtsbeschwerdentextbausteins) erhalte ich folgende Mitteilung:
Ich bin erleichtert, dass mir dieses Weblog wieder zur Verfügung steht, in dem ich meinem Ärger über diesen Zustand teilen kann. Dennoch, sowas ist nur schwer zu ertragen.
Fast vier Monate vergehen, bis sich überhaupt etwas mal in die richtige Richtung bewegt. Eine Entscheidung über den Antrag vom Februar wird noch ein Weilchen dauern.
Bild von SnapHappyUK auf Pixabay
6 Kommentare
Ich wollte beim letzten Mal schon fragen, ob es vielleicht regelmäßig Todesfälle bei der Staatsanwaltschaft gibt, wenn dort alleine Monate damit zugebracht werden, nichtsaussagende Schreiben zu versenden.
Mal zwei Laienfragen: Die Kosten des Verfahrens vor dem AG muss der Mandant nun bezahlen? Oder ist das im Berufungsverfahren inkludiert? Und wie war denn der Verfahrensgang. Und schließe ich aus dem Verweis auf eine Revision (ohne, dass eine solche offensichtlich stattgefunden hat), dass nur die Staatsanwaltschaft eine solche eingelegt hat, die aber nicht erfolgreich war?
Ich kenne die internen Verhältnisse/Abläuft nicht. Grundsätzlich würde ich aber denken, dass sowas doch ein Geschenk ist, um eine Akte schnell loszuwerden. „U.m.A. ans LG Berlin zur Entscheidung über den Antrag Blatt x d.A.“ Ein schneller Einzeiler und man ist die Akte erstmal los…
Die Berliner Gerichte machen jetzt so kleine Hoenig-Waschmaschinen-Logos als Aufzählungzeichen hin? Apart!
@WPR_bei_WBS:
Die Kosten des Verfahrens vor dem AG muss der Mandant nicht zahlen, da das Urteil ja aufgehoben wurde. Auch die Kosten der Verteidigung nicht, wäre der Passus mit den notwendigen Auslagen enthalten.
Irgendwie erinnert mich das an damals, als meine Frau für die Hochzeit ihre russische Geburtsurkunde nochmal beantragen mußte, und das Konsulat in Bonn die Weiterleitung des korrekt und vollständig gestellten Antrags nach mehrfacher Nachfrage dann neun Monate später bestätigen konnte. Natürlich nicht, ohne erst nochmal eine selten dumme Nachfrage zu stellen, damit sie die Verzögerung mit der Unvollständigkeit der Informationen begründen konnte…