Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

19. Juni 2020

Der vorsichtige Elefant im Porzellanladen

In Wirtschaftsstrafverfahren hat der Verteidiger oft mit gebildeten und besonders sensiblen Menschen zu tun. Sie sind meist sehr vorsichtig und planen auch für Unvorhersehbares. Aber eben nur meistens, nicht immer.

Dem Mandanten, ein sehr erfolgreicher Entrepreneur, war es wichtig, dass er sein Smartphone während der Besprechung in meiner Kanzlei ausgeschaltet im Nebenraum deponieren kann. Er befürchtete, dass unsere Gespräche abgehört werden können, obwohl er das Telefon ausgeschaltet hatte. Das war im Januar.

Ich hatte den Auftrag einer Freispruchverteidigung; der Mandant hat auch mir gegenüber die ihm zur Last gelegten Taten mit allem Nachdruck bestritten.

Drei Monate nach dieser Besprechung rief mich der Ermittler an. Er informierte mich über die zwischenzeitlich durchgeführten Nachermittlungen.

Die Ermittlungsbehörde hatte bei einem Geschäftspartner meines Mandanten in einer völlig anderen Sache ein Telefon beschlagnahmt. Auf diesem Smartphone waren gut 90 SMS zu lesen, die die beiden miteinander ausgetauscht hatten.

Diese verschrifteten SMS befänden sich nun auch in einer Beiakte zu dem hiesigen Verfahren; er sei sich sicher, dass ich sehr großes Interesse an einer ergänzenden Akteneinsicht habe, feixte der freundliche Ermittler.

Die Einsicht in diese Beiakte ergab:

  • Diese SMS trugen allesamt ein Datum aus Februar und März, stammten also aus deiner Zeit nach unserer geheimen, abhörsicheren und konspirativen Besprechung.
  • Etwa 40 dieser Kurznachrichten bestätigten unzweifelhaft das, was dem Mandanten bisher zur Last gelegt wurde … und einiges darüber hinaus.

Strafverteidiger sind daran gewöhnt, von ihren Mandanten nicht immer vollständig korrekt über die Sachverhalte informiert zu werden. Dass dies auch in diesem Fall so war, ist also nicht besonders erwähnenswert.

Dass der Mandant aber einerseits befürchtet, dass Verteidigergespräche in der Kanzlei eines Strafverteidiger abgehört werden, aber andererseits seine Missetaten in einem öffentlichen Telefonnetz und auf dem Handy seines Mitbeschuldigten dokumentiert, ist nicht sehr klug.

Wir stellen die Verteidigung nun um auf eine Strafmaßverteidigung. 😉

Bild von relexahotels auf Pixabay

5 Kommentare

  • WPR_bei_WBS sagt:

    Naja, abge*hört* werden können SMS ja auch nicht. Und vielleicht hat der Mandant mal irgendwo gelesen, dass in der Hauptverhandlung nur das gesprochene Wort gilt, und das irgendwie missverstanden :).

  • Matthiasausk sagt:

    Tja, im süddeutschen Raum weiß es seit dem legendären Bauunternehmer Mikis Zementidis und seinem zweitbesten Mitarbeiter Janis Komplizis jeder: „Nicht am Telefon“.

  • busy sagt:

    Ihre Blogs sind immer wieder faszinierend und ich freue mich, dass Sie sich wieder die Mühe machen.
    Ich frage mich nur, warum ruft ein freundlicher Ermittler den Anwalt an ?
    „Ein Schelm wer hier böses denkt“ 🙂

    • Die Kommunikation mit den Ermittlungsbehörden ist wesentlicher Bestandteil einer soliden Verteidigung. Und wenn „auf der anderen Seite“ jemand sitzt, der einen Verteidiger als notwendigen Teil eines rechtsstaatlichen Verfahrens akzeptiert, sind Gesprächsinitiativen auch von dort „normal“ und üblich. crh
  • busy sagt:

    P.S.: Ich weiß selbstverständlich, auch durch Ihre Blogs, dass Sie absolut loyal sind, aber ein Schmunzeln beim Lesen konnte ich mir nicht verkneifen.

  • Andreas sagt:

    Wie muss ich mir eigentlich das Gespräch mit dem Mandanten nach der „Offenbarung“ durch den Ermittlungsbeamten vorstellen?
    Wie klein (egal ob mit oder ohne Hut) ist so ein „übervorsichtiger Entrepreneur“ danach?
    Und wie groß ist die Lust beim Verteidiger, zu sagen dass sich der Mandant doch bitte einen anderen selbigen suchen soll?