Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

15. Dezember 2020

Arbeiten für die Tonne

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Justiz mit den knappen Ressourcen gewissenhaft umgeht. Die beflügelte Staatsanwaltschaft Potsdam zeigt, wie man sich selbst und andere Verfahrensbeteiligte mit sinnlosem Zeug beschäftigt.

Bereits im Juni 2016 leitete das Hauptzollamt Potsdam gegen unsere Mandanten ein Ermittlungsverfahren ein. Es bestehe der Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, § 266a StGB.

„OWi Sofortmeldung“

Aus dem Sammelsurium dieses Strafverfahrens hat der Zoll mit heißer Nadel weitere Bußgeldverfahren gestrickt. So sollen unsere Mandanten u.a. im Jahr 2016 für 21 Arbeitnehmer die nach § 28a Abs. 4 Satz 1 SGB IV erforderliche Meldungen („Sofortmeldung“) an die Rentenversicherung nicht abgegeben haben.

Gegen die Bußgeldbescheide haben wir Einspruch eingelegt. Denn es war weder belegt, dass es sich bei den 21 Leuten um Arbeitnehmer gehandelt hat, noch dass sie für unsere Mandanten tätig gewesen sind.

Seit Frühjahr 2018 liegt das Verfahren beim Amtsgericht Potsdam. Ein erster Hauptverhandlungstermin fand im Mai 2018 statt.

Aussetzung und Hausaufgaben für den Zoll

Mit relativ wenig Aufwand konnte ich aufzeigen, dass die Vorarbeit des Zolls mehr Lücken als Substanz hatte. Das Verfahren wurde ausgesetzt, das Gericht hat den Zöllner ein paar Hausaufgaben mitgegeben, die sie später mehr schlecht als recht bearbeitet haben.

Drei Termine mit 20 Auslandszeugen

Für November 2020 hat das Gericht dann drei neue Termine angesetzt, um die Sache endlich vom Tisch zu bekommen. Dazu wurden auch die angeblichen Arbeitnehmer als Zeugen geladen.

Die meisten der Zeugen leben mittlerweile wieder zuhause in Polen. Erwartungsgemäß erschienen zum ersten Termin von den sechs geladenen Zeugen nur zwei.

Beide konnten sich an so gut wie nichts erinnern. Die vom Zoll erhobenen Vorwürfe konnten sie jedenfalls nicht bestätigen.

Der erwartete Vorschlag des Richters

Das Gericht sah jetzt endlich ein, dass sich das Ganze zu einer never ending Story entwickeln wird. Und machte den einzig sinnvollen Vorschlag (den ich bereits im Mai 2018 gemacht hatte): Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG. Doch dazu verweigerten die störrischen Zöllner im Termin ihre (dazu notwendige) Zustimmung.

Eine bockige Staatsanwältin

Also nutzte das Gericht die Pause vor dem zweiten Termin und ersuchte die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Aber auch die Staatsanwältin wollte der Einstellung nicht zustimmen. Es musste weiterverhandelt werden.

In dem zweiten Termin erschienen dann wieder alle Beteiligte: Zwei Zollfahnder, zwei Verteidiger, zwei Betroffene, die Richterin und die Urkundsbeamtin.

buv: Beschlossen und verkündet

Der Richter teilte zu Beginn gleich mit, dass das Verfahren auch ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt wird. Denn die Staatsanwältin hatte zugesagt, gegen diesen Einstellungsbeschluss keine Beschwerde einzulegen.

Übersetzt heißt das Folgendes:

Die Staatsanwältin ließ also alle Verfahrensbeteiligte antanzen, obwohl es möglich, sinnvoll und ressourcenschonend gewesen wäre, die Zustimmung zu erteilen, so dass das Verfahren auch außerhalb der Hauptverhandlung hätte eingestellt werden können.

Dass einer alimentierten Staatsanwältin in ihrem Elfenbeinturm die Kosten gleichgültig zu sein scheinen, die den Betroffenen durch dieses unsinnige Spielchen entstanden sind, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber die Anreise der beiden Zollbeamten, die Beschäftigung des Richters mit dem Zeug und Inanspruchnahme der Protokollführerin sowie die Blockade des Saals für andere, dringendere Termine wäre echt nicht notwendig gewesen.

Die Kosten des Termins trägt die Staatsanwältin. Nicht.

Selbstverständlich lehnte das Gericht meinen Antrag ab, die Kosten dieses Termins der Staatsanwältin (sic!) aufzuerlegen. Der erzieherische Effekt eines solchen Kostenbeschlusses wäre ernsthaft nachhaltig gewesen.

Die Vermutung, dass manche Staatsanwälte in Potsdam kein Problem damit haben, für die Tonne zu arbeiten, weil sie sonst nichts Sinnvolles zu tun haben, liegt nahe.

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3 Kommentare

  • Michael M. sagt:

    Gab es da nicht mal ein grosses Verfahren welches sich mit oral zugeführten Hilfsmitteln des männlichen Glücks beschäftigte ? Ist da nicht auch die Staatsanwaltschaft Potsdam federführend gewesen ? Seltsam wie sich manche Dinge immer wieder auf einen Punkt/Platz konzentrieren.

  • frzz sagt:

    köstliche geschichte. süffisant aufbereitet – aber zurecht! – so das gefühl des lesers, weil es ihr an plausibilität nicht fehlt u befreiend, weil ra hoenig mutig schreibt wie ihm der schnabel gewachsen ist.
    wie mein spontanes urteil mit audiatur et altera pars zu vereinen ist, weiß ich nicht. da braucht es einen juristen. vielleicht lässt sich ra hoenig hinreißen…

  • WPR_bei_WBS sagt:

    Könnte es nicht sein, dass nicht die Staatsanwältin, sondern ihre Chefin bockig war?