3 Jahre Freiheitsstrafe: Bewährungsfähig?
Kann eine Freiheitsstrafe von über 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt werden? Diese Frage war bereits Thema zweier Blogbeiträge im vergangenen Jahr, die ich aus dem Archiv geholt habe; ein aktuelles Verfahren gibt mir Anlass für einen dritten Beitrag.
Vielfaches Verteidigungsziel – besonders in Wirtschaftsstrafsachen und wenn sich eine Verurteilung nicht zu verhindern ist – ist die Vermeidung einer Freiheitsstrafe. Wenn dieses Ziel nicht erreichbar ist – z.B. weil das Gesetz eine Mindestfreiheitsstrafe vorschreibt – geht es um die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB.
„Bewährungsstrafe“ bedeutet:
Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die dann aber nicht vollstreckt wird. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit von zwei bis fünf Jahren (§ 56a StGB) „nichts zuschulden“ kommen läßt und ggf. einige Auflagen (§ 56b StGB) erfüllt, sich also „bewährt“. Nach Ablauf dieser Bewährungszeit wird die Strafe dann erlassen (§ 56g StGB).
Damit eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt, darf die ausgeurteilte Freiheitsstrafe aber zwei Jahre nicht übersteigen; das bestimmt der § 56 Abs. 2 StGB.
Zweites Verteidigungsziel also:
Wenn schon keine Geldstrafe, dann wenigstens eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren und die Strafaussetzung.
Diese Kenntnisse gehören zum Standardprogramm der Strafverteidigung. Nun aber ein Fall für erwachsene Strafverteidiger.
In einer eigentlich überschaubaren Wirtschaftsstrafsache wanderten die Akten ein paar Jahre von der einen zur anderen Fensterbank der wechselnd zuständigen Staatsanwälte. Knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist gelingt es einem Oberstaatsanwalt endlich, Anklage zu erheben. Die Wirtschaftsstrafkammer eröffnet das Verfahren und will den Angeklagten nach der Beweisaufnahme zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilen.
Nur von Erwachsenen
Der Normalverteidiger gibt hier auf (und denkt allenfalls an eine Revision oder den offenen Vollzug). Der Profi erreicht trotz der deutlichen Überschreitung der Deadline von 2 Jahren doch noch eine Strafaussetzung zur Bewährung, indem er der Strafkammer ein paar entscheidende Anträge in die Urteilsberatung mitgibt, die dann trotz des Limits in § 56 Abs. 2 StGB noch zur Strafaussetzung führen können.
Welche Anträge das sein können, beschreibe ich im nächsten Blogbeitrag.
Dieser Beitrag wurde bereits am 29.04.2019 im „alten“ Weblog veröffentlicht.
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8 Kommentare
Ich rate mal, die Erhebung der Anklage kurz vor knapp der Verjährung in Verbindung mit dem Umstand das eine Wirtschaftssache nicht mal eben in 2 Verhandlungstagen aufgeklärt werden kann dürfte der Schlüssel zum Erfolg sein. Stichwort überlanges Verfahren.
Evtl. § 41 StGB:
2 Jahre Freiheitsstrafe (zur Bewährung)
+
365 Tagessätze
??
Ich denke mal Verurteilung plus Anrechnung von Untersuchungshaft und dann Halbstrafe oder Zweidrittelstrafe?
@ Alex Weit, U-Haft kann nicht im Spiel sein. Da wäre die Akte nicht bis kurz vor Verjährung von links nach rechts geschoben worden. Da wäre spätestens mit Entlassung des Beschuldigten wegen Überschreitung der U-Haftdauer Bewegung in die Sache gekommen.
Ich vermute mal das der Grundsatz „Die Strafe muss mit der Tat in Zusammenhang stehen“ oder wie miene Oma immer sagte „Die Strafe folgt auf dem Fuße“ hier verletzt wurde und das aus irgendwelchen Gründen die Bewährungsfähigkeit ermöglicht.
@Alex Weit: Richtiger Ansatz. Ich tippe auf die Vollstreckungslösung des BGH bei überlanger Verfahrensdauer. Ein Teil der Strafe gilt dann als vollstreckt (anders früher, als eine Strafminderung ausgeurteilt wurde), so dass man in die 2/3 oder 1/2 Rahmen gelangen kann